Seit Monaten, ach was, seit Jahren bin ich auf der Suche nach dem ultimativen Pizzateig-Rezept. Was leider die meisten Rezepte für Zuhause gemeinsam haben: sie schmecken irgendwie nach Hefekuchen. Nach Zwetschgendatschi mit Pizzabelag. Und wer schon mal eine richtig gute Pizza bei einem richtig guten Italiener gegessen hat, weiß, dass man die Hefe da nicht so deutlich hervorschmeckt. Nun, was tun? Den Hefeanteil im Teig reduzieren und dem Teig dafür mehr Zeit zum Gehen lassen. Klingt nach einem guten Plan. Und bei den Recherchen danach bin ich auf das Rezept einer “Vera Pizza Napoletana” der “Associazione Verace Pizza Napoletana”, quasi der Interessenverband für neapolitanische Pizza als Kulturgut, gestoßen – in einer EU-Verordnung.
Robert ist schon 2008 darauf gekommen (und liefert euch noch den richtigen Soundtrack zum Backen), er hat es sogar tatsächlich geschafft, Bierhefe aufzutreiben. Obwohl ich insgesamt bestimmt einen Arbeitstag in München verbracht habe, um Bierhefe zu kaufen, ist es mir dennoch nicht gelungen. Und bei Augustiner und Co. habe ich mich auch nicht getraut zu klingeln. Deshalb musste normale Frischhefe ran, Abweichung #1. Allerdings benutzt Robert selbst inzwischen auch wieder Frischhefe, sodass ich das für wenig tragisch halte.
Pizzateig-Rezept nach EU-Norm
Also, sehen wir uns die EU-Verordnung Nr. 509/2006 genauer an. Eine echte Pizza Napoletana hat demnach einen Durchmesser von maximal 35 cm, ist im Inneren 0,4cm dick (+/- 10%) und hat einen 1-2cm dicken Rand. Sie soll weich und elastisch sein und sich wie ein Buch zusammenklappen lassen, gebacken wird im Holzofen bei 485°C. Das kann mein 20 Jahre alter Backofen nicht liefern, wenigstens verwende ich einen Pizzastein. Abweichung #2. Ich stehe ja eigentlich eher auf knusprig, aber gut. Dabei sollte man 00-Mehl verwenden, dessen Proteinanteil 11-12,5 Prozent betragen sollte. Meines aus dem hat 10,5, ich bestimme hiermit, dass das passt. Abweichung #3. Und nun geht’s in der Verordnung ans Eingemachte – nämlich an die Zubereitung des Teiges.
Update 3.3.2013: Leser Frank hat mich in den Kommentaren darauf aufmerksam gemacht, dass im Originalrezept bzw. in der Verordnung eigentlich 2000kg statt 1,8 kg Mehl vorkommen. Insofern erhöht sich die Mehlmenge von 570 g auf 640 g. Dennoch gilt nach wie vor: habt ein individuelles Auge auf den Teig. Feuchter lässt er sich meiner Ansicht nach außerdem später leichter auseinanderziehen, ohne zu reißen.
umgerechnet für 4 Pizzen
320 ml Wasser (20-22°C)
570 g640 g Weizenmehl, Type 0016 g Meersalz
1 g Bierhefe (Tina: Frischhefe)
Wasser in eine große Rührschüssel geben, am besten in die Rührschüssel einer knetstarken Küchenmaschine (oder in die des alten Brotbackautomaten eurer Oma ;) ). Das Meersalz darin auflösen und ein Zehntel der Mehlmenge dazugeben. Die Hefe darin auflösen und die Knetmaschine anschalten. Nach und nach nun das gesamte Mehl, verteilt über einen Zeitraum von 10 Minuten, dazugeben, dabei kontinuierlich kneten lassen. Nach den 10 Minuten sollte der Teig laut Text im Pizzateig-Rezept “punktgenau richtig” sein, also nicht zu feucht und nicht zu fest. Nun noch einmal für 20 Minuten auf niedriger Stufe die Maschine weiter kneten lassen, bis ein samtiger, elastischer Teig enstanden ist, der sich von selbst vom Schüsselrand löst.
Die entstandene Teigkugel auf die bemehlte Arbeitsfläche oder in eine bemehlte Schüssel geben und mit einem feuchten Tuch bedecken. So zwei Stunden bei Raumtemperatur gehen lassen. Danach mit einem Spachtel den Teig in Portionen zu je 180-250 g teilen und mit von Hand zu Kugeln formt. Diese Kugel legt man nun in Gärkästen oder in handelsübliche, große Plastikschüsseln, die man wieder mit einem feuchten Tuch bedeckt, und lässt sie bei Raumtemperatur noch einmal vier bis sechs Stunden gehen. Danach innerhalb der nächsten sechs Stunden verarbeiten.
Die Zubereitung, Schritt für Schritt
Der Teig geht. Langsam aber sicher, in meiner Küche riecht es immer mehr nach Hefe und man kann den Kugeln richtig zusehen, wie sie immer größer werden. Ich habe den Teig am Vormittag zusammengemischt und vor allem am späten Nachmittag gibt er noch einmal richtig Gas, wie man im Vergleich der Bilder von 15 Uhr (nach 5 1/2 Stunden)…
und 17 Uhr (nach 7 1/2 Stunden)…
gut sehen kann. Leider habe ich um 19 Uhr, als es dann ans Formen ging, kein weiteres Vergleichsfoto geschossen. Die Löcher zwischen den Teigkugeln waren jedenfalls verschwunden und ich habe den Teig mit einem scharfen Messer auseinandertrennen müssen. Nächstes Mal gebe ich ihnen also mehr Platz.
Dafür dürft ihr meinen Bruder bei der wichtigen Aufgabe des Auseinanderziehens bewundern – auf keinen Fall sollte man mit einem Nudelholz den Teig ausrollen, stattdessen wird er mit ziehenden und schiebenden Bewegungen auf der sehr gut bemehlten Arbeitsfläche auseinandergezogen. Nutzt hierfür ruhig eure Arbeitsplatte, die ist im Normalfall gut beschichtet – frühere Versuche auf meinem großen Holzbrett vom Schweden sind nicht so gut gelungen. Ich vermute, dass das Holz dem Teig doch zu viel Feuchtigkeit entzogen hat. Vergesst deshalb auch nicht, die noch nicht genutzten Teigkugeln immer wieder mit einem feuchten Tuch zu bedecken.
Und nun geht’s ans Eingemachte. Wir haben eine Stunde vor Backbeginn meinen Pizzastein auf unterster Schiene in den Ofen gegeben und auf höchster Stufe (250°C) vorgeheizt. Jetzt bestreue ich meinen Pizzaschieber aus Holz mit Grieß, dann rutscht die Pizza besser runter und lege die noch unbelegte Pizza darauf – nun kommt etwas Tomatensauce in Form passierter Tomaten mit Meersalz und dem Pizzagewürz von Vapiano (alternativ: Oregano, Thymian, etwas Pfeffer) dünn darauf und dann wird belegt. In diesem Fall sind Schinken, frische Champignons und drei Peperoni auf die Pizza gekommen, der Backvorgang hat etwa 8 Minuten gedauert.
Nun zum Fazit: der Teig schmeckt genau so, wie ich mir das vorgestellt habe: wunderbar aromatisch, würzig und nur ganz leicht nach Hefe. Das einzige Problem ist, dass man entweder einen fluffigen, dafür sehr hellen, oder knusprig bis steinharten, dafür schön gebräunten, Rand hat. Ich denke, dass das an den immer noch zu niedrigen Temperaturen in meine Ofen und der daraus resultierenden, langen Backzeit liegt. Der belegte Teil ist dafür genau richtig. Vielleicht werde ich nächstes Mal den Pizzastein auf eine höhere Stufe legen und mit dem Backofengrill von oben noch Hitze hinzugeben.
Sabine meint
Du kannst einen Teil des Teiges auch im Kühlschrank gehen lassen. Ich gebe ihn immer einfach in eine Tupperdose, die ich mit etwas Olivenöl ausstreiche (groß genug wählen, Teig geht noch). Kann locker bis zu einer Woche drin bleiben. Vor Verarbeitung den Teig eine Stunde draußen akklimatisieren lassen. Der Geschmack wird immer besser!! Und man hat immer ganz schnell Pizza, ohne großartig was machen zu müssen. :-)
Frank meint
Ich möchte deine Wassermenge in Frage stellen. Laut Verordnung 1 Liter Wasser auf 2 KG Mehl. Deine 320 Ml erkläre ich mir damit, dass du irrtümlich die 1800 Gramm Mehl aus der Verordnung angenommen hast – dies ist aber die um 10% reduzierte Menge, die später hinzugefügt wird.
Tina meint
Dein Einwand leuchtet ein – wobei ich ganz offensichtlich nicht die Einzige mit diesem Denkfehler bin. Die Seite der “Associazione Verace Pizza Napoletana” schreibt selbst auch von 1,8kg Gesamtmenge: http://www.pizzanapoletana.org/public/pdf/Disciplinare_AVPN.pdf
Tatsächlich steht aber sowohl in Rezept und Verordnung auch eines: der Teig muss “punktgenau” richtig sein, also weder kleben, noch zu fest sein. Ich bin bisher mit dem offenbar zu feuchten Teig sehr gut klargekommen, weil er sich so deutlich leichter auseinanderziehen ließ als in trockenerer Form. Wenn ich die Teigkugeln nicht immer wieder abdecke, merke ich spätestens bei der dritten Pizza, dass der Teig zu reißen beginnt. Hängt aber sicherlich auch von vielen Faktoren wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit in der Küche ab. Danke auf jeden Fall für den Hinweis, ich füge das gleich einmal mit ein!
Charly meint
Böse Frage: Gibt es eine Möglichkeit, den Teig (oder eine Vorstufe davon) einzufrieren?
Selbstgebackene Pizzen schmecken einfach so viel besser als die Tiefkühlpizzen,
allerdings würde ich am liebsten eine große Menge Teig vorbereiten, wenn ich mal Zeit
habe, und dann immer, wenn der Abends-Film-gucken-mit-frischer-selbstgemachter-Pizza-Moment
kommt, schnell eine machen zu können!
Die Varainte mit dem Kühlschrank ist dafür in der Hinsicht nicht so passend, weil ich nicht oft
2x in der Woche Lust auf Pizza habe ; /
Vielleicht habt ihr ja eine Idee
Vielen lieben Dank schon mal
Tina meint
Ich selbst habe das noch nie ausprobiert, soweit ich aber weiß, lässt sich Hefeteig durchaus einfrieren. Leider kann ich dir also nicht mit Erfahrungswerten dienen. Falls du es ausprobierst, würde mich aber dein Versuch interessieren, bitte berichte doch, ob es geklappt hat!
Guenter meint
Das Einfrieren des fertigen Teigs ist ziemlich unproblematisch. Allerdings hatte (zuerst fälschlicherweise) den Eindruck, daß der aufgetaute und dann gebackene Teig am Rand dann nicht mehr ganz so locker ist. Nur einfach Auftauen scheint nicht die beste Lösung zu sein. Ich habe dann den aufgetauten Teig in einer großen Schüssel – mit einem ziemlich nassen Tuch bedeckt – bei ca. 25 Grad für 30 Minuten in den Backofen gestellt. Anschließend benötigt man etwas Mehl, damit der “neu gegangene” Teig seine Klebrigkeit verliert. Das Ergebnis ist vom frisch angesetztem Teig kaum zu unterscheiden.
Pablo meint
@ Frank: das ist tatsächlich missverständlich formuliert in der Verordnung. Ich bin mir aber sehr sicher, dass 50% Wasseranteil, wie es dann nach deinem Rezept wäre, definitiv zu wenig ist. Sollten eher richtig 60% gehen, insofern ist die Menge 1800g Mehl auf 1000 ml Wasser (=55,55% Wasseranteil) schon gut.
Wenn du hier mal etwas weiter unten schaust, da findest du die prozentualen Angaben und einige Mischungsverhältnisse: http://www.pizzamaking.com/forum/index.php?topic=2002.0 (hier sogar 59%).
Wie auch immer, Verhältnis Wasser:Mehl =1:2 ist viel zu trocken!!
@Charly: Teig einfrieren sollte gehen. Nach der ersten Ruhephase die ausgeformten Teigkugeln sofort einfrieren und dann langsam auftauen lassen, kann aber schlecht schätzen, wie lange das dauert. Was aber sicher nicht gehen wird ist, wenn du am Abend vorm TV sitzt und auf die Idee kommst, jetzt schnell ne Teigkugel rauszunehmen und ne Pizza zu machen…sie sollte ja noch auftauen.
P.S.: Will man am Mittag Pizza machen, dann sind die Zeitangaben relativ ungünstig. Von der Teigzubereitung bis zur Verwertung sollten ja (Kneten 30 Min, 1. Ruhe 2h, Teigkugeln Ruhen 4-6h) ca. 7h vergehen. Also wenn wir jetzt um 1 Uhr essen wollen, dann müsste man um 6:00 Uhr anfangen mit dem Teig.
Daher ist der Hinweis von Sabine sehr hilfreich: Teig am Vorabend machen und dann im Kühlschrank gehen lassen….
Bei mir liegt der Teig grad in der ersten Ruhephase in der Küche ;-).
Guenter meint
Seht Euch doch mal folgendes Video “Come fare la Vera Pizza Napoletana con Checco Pizza” bei Youtube an (ist dann der 1. Eintrag). Francesco ist selbst Mitglied der “Associazione Verace Pizza Napoletana”. Man kann ganz gut erkennen, daß er nur 1.800 gr. Farina (Tipo 00 – von der Firma 5 Stagioni – bekommt man übers Internet für ca. 2,–Euro per Kilo) benutzt. Der Rest ist fürs Bestäuben des Tisches etc.(wird eindeutig abgewogen abgezogen). Wer etwas Italienisch versteht, wird hier alles ganz genau beschrieben finden. Übrigens “normale” Hefe funktioniert einwandfrei – allerdings 5gr. bei 1.800gr Mehl! – sie sollte im 24Grad warmen Wasser aufgelöst werden. Das Einfrieren des fertigen Teigs ist ziemlich unproblematisch. Allerdings habe ich den Eindruck, daß der aufgetaute und dann gebackene Teig am Rand dann nicht mehr ganz so locker ist. Die Wassermenge (1L bei 1.800gr) sollte ziemlich genau eingehalten werden; falls der Teig nicht geschmeidig genug ist, reicht es aus, die Hände etwas anzufeuchten.
Mike meint
Mit der Zeit wird vieles besser. Mittlerweile kann man Bierhefe online, z.B. Amazon kaufen
Thorsten meint
Also vielen Dank für dieses Rezept. Ich habe schon einige verschiedene ausprobiert und finde dieses hier am besten!
Chris L. meint
Ich habe eine Frage: Wenn man den Teig über Nacht im Kühlschrank aufbewahrt, wann gibt man ihn dann in den Kühlschrank – direkt nach dem Kneten oder nach der zweistündigen ersten Ruhezeit oder nach dem Portionieren der Teigkugeln? Wäre super, wenn das jemand beantworten könnte. Vielen Dank!!
Dirk meint
Hallo Tina,
hier ein kleiner Hinweis von einem Hobbybrauer zum Thema Bierhefe. Im Originalrezept der Associazione Verace Pizza Napoletana ist bei der Hefe von der Hefeart Saccharomices cerevisiae die Rede. Im Name klingt in der Tat die Verwendung beim (obergärigen) Bierbrauen an. Von dieser Hefeart gibt es aber viele verschiedene Stämme, wahrscheinlich hat jede größere Brauerei ihren eigenen. Aber auch die ganz normale Backhefe ist eine Saccharomices cerevisiae. Daher dürfte in dem Rezept die ganz normale Backhefe aus dem Supermarkt gemeint sein.Wenn du aber wirklich unbedingt Bierhefe verwenden willst: Im Internet gibt es jede Menge Shops für Hobbybrauerbedarf, da gibt es auch Trocken-Bierhefe zu kaufen.
Gruß Dirk
Tina meint
Danke lieber Dirk, das hilft wirklich sehr – hatte mich ehrlich gesagt damals in der Recherche auf diversen Brauer-Websites dann auch verloren, super Erklärung! :)
LG,
Tina
Lukas meint
Hi Tina,
falls du noch an einer Verbesserung deines Rezeptes interessiert bist, habe ich noch einen Hinweis für dich. Dein Pizza Teig Rezept nach EU-Norm für eine Pizza Napoletana ist auf einen 485°C heißen Ofen bei einer Backzeit von 60-90 Sekunden ausgelegt.
Mit einer niedrigeren Ofentemperatur und einer daraus folgenden längeren Backzeit muss sich auch die Zusammensetzung deines Teigs verändern, denn durch die längere Backzeit verliert der Teig mehr Feuchtigkeit. Bei 250°C solltest du es mal mit 65% Wasser versuchen. Also 650 ml auf ein kg Mehl.
Damit solltest du das von dir beschriebene Problem -“Das einzige Problem ist, dass man entweder einen fluffigen, dafür sehr hellen, oder knusprig bis steinharten, dafür schön gebräunten, Rand hat.” – in den Griff bekommen.
LG Lukas
Consul meint
Hallo Lukas,
danke für den Tipp mit dem erhöhten Wasseranteil, auf 640g Mehl
Nehme ich jetzt 400ml Wasser also etwa 63%. Bei einer Ofentemperatur von 300° bekomme ich damit einen nahezu perfekten Rand.
LG Consul
Dominik Oppitz meint
Du kannst dir einen “kleinen” Backofen bauen, indem die direkt unter das Blech für die Pizza ein weiteres, leeres großes Blech schiebst. die Wärme bleibt dann weitestgehend im Raum der Pizza und verteilt sich nicht.Macht natürlich nur Sinn mit Oberhitze.
Außerdem könnte Du mit einem Pizza”Eisen” statt ~Stein experimentieren. Der transportiert die Hitze sehr viel schneller an den Teig. Je nach Temperatur ist das auch zu schnell… ausprobieren.
Have fun!!